5. März 2017

Was der Bauer nicht kennt (Film von 1952/53)

Volkshochschulen (VHS) haben im zwanzigsten Jahrhundert in der Weiterbildung der Bevölkerung eine wichtige Rolle gespielt. Anfangs der 1950 Jahre kam die Idee auf, einen Dokumentar- und Werbefilm zur VHS-Arbeit im ländlichen Raum zu drehen. Drehort waren Külsheim und Gamburg, Darsteller wurden aus der einheimischen Bevölkerung gewählt.



Der Film hat in der Kategorie "Dokumentar- und Kulturfilme", Periode 1. September 1952 bis 31. August 1953, das Prädikat besonders wertvoll erhalten (Quelle)Regisseur war Wolf Hart, Auftraggeber war die Filmgesellschaft "Zeit im Film".

Es ist nur bedauerlich, daß die Darsteller einen ortsuntypischen und für sie daher unnatürlichen Dialekt sprechen mußten, was manchmal etwas hölzern klingt.

Film: "Was der Bauer nicht kennt...", Teil 1 (14:44 Minuten)
Film: "Was der Bauer nicht kennt...", Teil 2 (0:54 Minuten)

Warum wurde gerade Külsheim als Drehort gewählt?
Der Zuschlag ging nach Külsheim, weil es unter damals 280 Volkshochschul-Gemeinden die stärksten Besucherzahlen, die vielseitigsten Kurse und Veranstaltungen und die und die erfolgreichste Arbeit in der Erwachsenenbildung auf dem Lande aufzuweisen hatte, Von den damals 2.400 Einwohnern waren zum Stichtag 216 als Hörer eingeschrieben. Massgeblicher Initiator des Volkshochschulerfolgs war Jacob Schweitzer, der 1944 in Frankfurt ausgebombt worden war und der in der Folge in Külsheim tätig war. Zu Jacob Schweitzer wird ein gesonderter Artikel veröffentlicht werden in diesem Blog.

Die Fränkischen Nachrichten berichteten am 22 April 1952 über die Dreharbeiten und die Motivation:
"Das Eis wird gebrochen
Volkshochschul-Film entsteht in Külsheim und Gamburg
Ehrlich gestanden: (heute kann man es ja zugeben) die erste Meldung, daß in Külsheim “gefilmt würde”, hielten auch wir zunächst für einen Aprilscherz. Denn, ausgerechnet am 1. April erreichte uns diese Nachricht. Damit erging es uns nicht anders als einem Wertheimer Bürger, den Regisseur Wolf Hart am 1.April um seine Mitwirkung bei den Dreharbeiten des VHS-Filmes bat und der zunächst ebenfalls der Meinung war, man wolle ihn “in-den-April-schicken”. Erst das Aufkreuzen des ganzen Drehstabes konnte ihn vom Ernst der Sache überzeugen.
Gestern feierte Regisseur Hart mit seinen Mitarbeitern das “Bergfest”. Das heißt, man hat die Dreharbeiten zur Hälfte beendet. Und in reichlich zwei Wochen – so hofft man – soll der Film, der in allgemein gültiger Form die VHS-Arbeit auf dem Lande zeigt, fertiggestellt sein. Der Streifen, der eine Vorführdauer von etwa zwanzig Minuten haben wird, ist als Beiprogramm zu Spielfilmen gedacht. Das Drehbuch stammt aus der Feder von Wolf Hart selbst. Auftraggeber des Dokumentarfilms ist “Zeit im Film”. (Eine Schwester der bekannten Wochenschau “Welt im Film”.)
Der Regisseur führte uns bei unserem Besuch mitten hinein in die Problematik dieses Dokumentarfilmes. Und mit Problemen verschiedenster Art muß sich in diesem Film auch Wolf Hart auseinandersetzen. “Es soll ja kein Reportagefilm werden”, meint er, “sondern ein Streifen mit einer klaren, dramaturgischen Linie in kurzen, spielfilmhaften Episoden.”
Mit dem VHS-Film beschreitet Wolf Hart einen neuen Weg. “Eine Drehung um 180 Grad gegenüber dem Althergebrachten”, wie er es selbst bezeichnet. Nicht der “Aufbau einer Volkshochschule” steht im Mittelpunkt der Handlung, sondern die Reaktion all der Menschen, die in irgendeine Beziehung zur VHS-Arbeit treten. Der Regisseur holt sich seine Impulse aus dem Leben. Darum läßt er auch die Hauptdarsteller (Bauern aus unserem Kreis) sich mit den verschiedensten aktuellen Fragen beschäftigen. In Einzelszenen diskutieren sie z.B. Über die Flurbereinigung, Genossenschaftswesen, “Was an Behörden nicht gefällt” usw.
Das Wesentliche sind aber – wie gesagt – die Reaktionen. Der Film spiegelt eine ganze Reihe von Empfindungen wider: von der Ablehnung, Gleichgültigkeit, ja, Belustigung, bis zur allmählichen Wandlung der Stimmung und dem Beginn einer positiven Resonanz. Man könnte dem Film den Titel geben “Das Eis wird gebrochen”. In keiner Weise zeigt er aber – und das erscheint uns besonders wichtig – eine gefühlvolle Schönfärberei.
Gamburg wird Kulisse der Einzelszenen werden. “Edelkomparsen” spielen Leiter der VHS-Arbeit im Kreis Tauberbischofsheim, die in der kommenden Woche zu einer eigens zu diesem Zweck einberufenen Tagung dort zusammenkommen.
Über die Resonanz der Külsheimer Bevölkerung gegenüber den “Filmleuten” fand Wolf Hart nur anerkennende Worte. Eine anfängliche Reserviertheit habe sich innerhalb weniger Tage zu einem freudigen, fast begeisterten Mitgehen gewandelt. Ganz besonders dankbar ist der Regisseur aber Oberinspekteur Grosch, dem Leiter der VHS-Arbeit im Kreis Tauberbischofsheim, der mit feinem Verständnis für die verschiedenen Probleme das Unternehmen tatkräftig unterstützt.
Für uns alle ist aber die Tatsache, daß gerade in unserem Kreis ein derartiger Film gedreht wird, Ansporn, der VHS noch mehr Interesse und Bereitschaft zur Mitarbeit entgegenzubringen. Das Ziel von Oberinspektor Grosch: “VHS-Arbeit auch in der kleinsten Gemeine” ist durchaus keine Utopie mehr, sondern in vielen Fällen schon verwirklicht.
H.S."

Die Filmgesellschaft "Zeit im Film" hatte den Auftrag, die Selbstfindung der Deutschen zur Demokratie zu fördern. Sie war Teil der zweiten Phase der Re-Education, der so genannten Re-Orientation, entstanden unter dem Office of the High Commissioner for Germany (HICOG) in Zusammenarbeit mit deutschen Filmproduzenten ab Ende der 1940er Jahre.

In einfachen Sujets enthielten sie die Essenz der Menschen- und Bürgerrechte. Sie stellten eine Vielzahl von Lebenssituationen vor, in denen demokratisches Verhalten gelebt werden kann.  Quelle: http://www.politische-bildung-brandenburg.de/node/6442

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